A true summer school – that is reading, contemplating, and discussing.
Severin K.
The foXs summer school was a very rewarding and productive week, concerning a rather small disciplinary field such as philosophical aesthetics. I particularly enjoyed the structure of the school, with plenary lectures in the mornings and workshops, museum visits, and more interactive sessions in the afternoons. Moreover, the location was really wonderful and incredibly peaceful!
Laura F.
Inspirierend, herausfordernd, tiefgreifend - die Summer School war nicht nur denkerisch eine Bereicherung. Auch die Begegnung und Auseinandersetzung mit anderen am Thema Interessierten tat gut.
Astrid K.
Zum zweiten Mal organisierte das Forum christliche Studien ein Intensivseminar für fortgeschrittene Studierende und Doktorierende. Dieses Jahr haben wir uns das ehrgeizige Ziel gesetzt, Philosophen und Theologen mit Künstlerinnen ins Gespräch zu bringen. Und dies unter einem provozierenden Titel! Grenzüberschreitende Arbeit ist immer mit Risiken verbunden, sprechen doch die verschiedenen Disziplinen ihre je eigenen Fachsprachen, sodass man sich manchmal nicht versteht.
Glücklicherweise bildete sich in Mariastein, dem Ort unseres Rückzugs, eine einheitliche Diskussion, wo Beiträge von allen Seiten willkommen geheissen und echte Gespräche zustande gekommen sind. Dieses Gelingen ist nicht selbstverständlich, zumal aus Rücksicht auf unsere Dozentinnen und Dozenten durchwegs englisch gesprochen wurde.
Kunst und Wahrheit – das geht anscheinend nicht zusammen, weil Wahrheit landläufig als Eigenschaft von Aussagen verstanden wird. Die Aussage «Basel ist eine Stadt in der Schweiz» ist wahr, wenn es eine Stadt gibt, die Basel heisst und diese in der Schweiz liegt. In der Philosophie wird diese Auffassung Korrespondenztheorie der Wahrheit genannt. Daneben gibt es aber noch andere Wahrheitstheorien.
Unser erster Dozent, Lambert Zuidervaart, vertritt die These, dass die Korrespondenztheorie selbst modifiziert werden muss und dass es Wahrheit auch in Religion, Kunst und Politik gibt. Eine Idee Platons aufnehmend hat Martin Heidegger im 20. Jahrhundert eine solche Position vertreten. Indem er Platons «Alaetheia» mit «Unverborgenheit» übersetzt, zeigt Heidegger an, dass es so etwas wie eine Wahrheit der Sachen selbst gibt. So gesehen gibt es wahre Kunstwerke, die Wahrheit offenbaren.
«Offenbarung» ist tatsächlich ein Schlüsselbegriff, wenn dieser auch im Deutschen stets religiöse Konnotate mit sich bringt. In der Alltagssprache sagen wir manchmal «Das war eine Offenbarung für mich» und meinen damit, dass wir plötzlich etwas verstanden oder «gesehen» haben, was uns vorher verborgen blieb. Das englische «disclosure» trifft es noch besser: etwas, was uns verschlossen war, öffnete sich.
Solche «disclosure»-Momente haben wir vielleicht selbst schon erlebt, z.B. vor einem Kunstwerk. Im Gegensatz zum deutschen Wort «Erlebnis», dass das Geschehen ganz in der «Binnenbefindlichkeit des Subjekts» (Hermann Lübbe) ansiedelt, deutet sich im englischen «disclosure» an, dass das Objekt selbst sich uns zeigt.
Zuidervaart, der ausgewiesene Hegel- und Adornospezialist, definiert Kunst als komplexe soziale Praxis, die drei Dimensionen hat: die Hervorbringung (Komposition, Malerei, Verfassen von Gedichten etc.), die Präsentation (von Bildern, Spielen eines Theaterstücks, Rezitation von Gedichten…) und die Rezeption (Hören eines Gedichtes, Sehen eines Bildes…). In der westlichen Kunsttradition haben sich Standards von Komplexität, Tiefe und Intensität ausgebildet, die die Qualität von Kunst bzw. ihrer Rezeption definieren. Ex negativo kann man sagen, dass ein Kunstwerk, das nur in Erstaunen versetzen will, diesem Kriterium nicht genügt. Manche Kunstwerke setzen uns in Erstaunen, zielen aber auf etwas anderes. Solche sind z.B. Picassos Guernica oder die Sala dei Giganti im Palazzo del Te in Mantua. Betritt man die Sala dei Giganti, wird einem fast schwindlig. Giulio Romano hat den Schockeffekt eingesetzt, um den Zusammenbruch der Weltordnung darzustellen, nicht um der blossen Sensation willen.
Folgt man dieser Konzeptualisierung, gibt es gute Kunst und schlechte, wahre und unwahre. Im Einzelfall braucht es viel Expertise, um die Kriterien auch angemessen anzuwenden – hier unterscheidet sich das Gebiet der Kunst nicht von anderen Sachgebieten. Deswegen ist es auch nicht verwunderlich, dass es während der Summer School verschiedentlich zu Diskussionen gekommen ist, welche Werke als schlechte Kunst zu klassifizieren sind.
Ansatzweise wurde, die Zuidervaarts Theorie weiter ausführend, auch diskutiert, was wahre Politik ausmacht. Hier ist Zuidervaart nicht rigoristisch: alle Politik, welche im Horizont von Befreiung aus Unterdrückung und von Gerechtigkeit operiert, kann als wahre Politik gelten, wobei diese Begriffe immer umstritten bleiben und unter Bedingungen freier Ausübung der Vernunft kein Konsens erwartbar ist. Keine wahre Politik können Politiker betreiben, die ausschliesslich aus persönlichen Gründen Politik machen. Die letzten Jahre haben uns im Westen zwei Kardinalbeispiele geliefert: Donald Trump, der zur Befriedigung seines Narzissmus Präsident der U.S.A. geworden ist und Silvio Berlusconi, der einige Strafverfahren am Hals hatte und durch seinen Einstieg in die Politik seine Interessen viel effizienter hat verteidigen können. Aus solchen, der demokratischen Politik eigentlich fremden Motivationen, folgten Aktivitäten, die im englischen als «post-truth politics» bezeichnet werden.
Adrienne Chaplin, unsere zweite Dozentin und Spezialistin für die Philosophie Susanne K. Langers, argumentierte auf dem Hintergrund dieser in Kontinentaleruropa wenig bekannten Philosophin. Langer hat eine eigenständige Kunsttheorie entwickelt, die mit dem Zentralbegriff «feeling» operiert, der aber nicht auf Emotionen verengt ist. Vielmehr ist damit eine Sensibilität gemeint, die uns die Wahrnehmung von Kunstwerken erlaubt. Aesthetik als pilosophische Disziplin war und ist beides, Theorie der Sinnlichkeit – und damit zur Erkenntnistheorie gehörend – sowie Theorie der Kunst. Mit Fallstudien, die Chaplins grosse Kunstkenntnis an den Tag legen, hat sie es geschafft, uns einen anschauungsgesättigten Begriff von Kunst zu vermitteln.
Eine beeindruckende Fallstudie analysierte die Murals der Bogside, eines Quartiers im nordirischen Derry. Die Bogside war einer der Brennpunkte des Nordirland-Konflikts, hier waren Scharfschützen der britischen Armee stationiert. Anders als die bekannten IRA-Wandbilder, welche den bewaffneten Kampf der IRA glorifizierten, ging es dem Bogside-Künstlerkollektiv um kollektive Erinnerung. Dementsprechend verstanden sie ihre Werke als gemeinschaftlicher Prozess, der auch zur Heilung der Wunden beitragen sollte gemäss einem Wort von Bischof Desmond Tutu: „A wound must be cleaned out and examined before it will heal; it is the unexamined wound that festers and eventually poisons.“
Andreas Widmer, unser dritter Dozent und Künstler, zeigte uns, was künstlerisches Schaffen heute bedeutet. Zudem trug er mit seinen Präsentationen und Analysen zeitgenössischer Kunst viel dazu bei, dass in unserem Seminar Theorie und Praxis zusammenfand. Seiner souveränen Führung durch zwei Ausstellungen in Basel, der Mondrian-Ausstellung in der Fondation Beyeler und der Picasso/El Greco-Schau im Kunstmuseum verdanken einige von uns eigentliche «disclosure»-Erfahrungen.
An einer Summer School teilzunehmen bedeutet, vier bis fünf Tage mit anderen eine Arbeitsgemeinschaft zu bilden und auch jenseits der formellen Sitzungen viel Zeit zusammen zu verbringen. Wer das Privileg hat, dabei zu sein, überdies an einem so stimmigen Ort wie es das Kloster Mariastein ist, macht eine wahre Erfahrung – die Erfahrung durch intensive gemeinsame Arbeit zu Einsichten zu kommen, die einem sonst verwehrt geblieben wären. Vieles muss stimmen, damit dies möglich wird. Nicht zuletzt tragen unsere Sponsoren dazu bei, dass junge und nicht mehr junge Erwachsene fachlich und vielleicht auch menschlich weiterkommen. Dafür sei ihnen herzlich gedankt!
Francesco Papagni
English version below
Die Summer School richtet sich an fortgeschrittene Studierende, Doktorierende und AbsolventInnen aller Fachrichtungen, die bereit sind, sich eingehend mit ästhetischen, geistesgeschichtlichen und theologischen Zusammenhängen auseinanderzusetzen.
Ort:
Kloster Mariastein, Klosterpl. 1, 4115 Mariastein
Dauer:
Die 19. Juli, 14.00 bis So 24. Juli 2022, 14.00
Kosten:
700 sFr./300 sFr. Studierende und Geringverdienende. Beinhaltet Kurskosten, Unterkunft und alle Mahlzeiten
Anmeldefrist:
Bis 30. Juni 2022 an summerschool2022@foxs.ch
Die Teilnehmerzahl ist auf 15 Personen beschränkt. Bitte kurzes CV und Motivationsschreiben beilegen. Teilnahmebestätigung erfolgt Anfang Juni 2022.
ECTS-Punktevergabe für Doktorierende nach Absprache mit der zuständigen fakultären Kommission.
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The Summer School is designed for advanced undergraduate, graduate, and doctoral students in all disciplines, willing to engage in in-depth study of aesthetic, intellectual-historical, and theological developments.
Location:
Benedictine Monastery Mariastein, Klosterpl. 1, 4115 Mariastein, Switzerland
Duration:
Tuesday July 19, 2pm – Sunday July 24 2022, 2pm
Costs:
700 sFr./300 sFr. students and low-income earners. Includes course fees, accommodation and all meals.
Registration:
Until June 30. Please direct your applications to: summerschool2022@foxs.ch
The number of participants is limited to 15. Please enclose a short CV and letter of motivation. Confirmation of participation will be sent at the beginning of June 2022.