Alles eine Frage des Managements? Eine Antwort auf Barbara Bleisch. Teil II

Wir haben den Tod nicht in der Hand, der Tod hat uns in der Hand. Das passt nicht zur in unserer Gesellschaft so mächtigen Erzählung von der Selbstbestimmung. Deswegen die Flut von Büchern zum selbstbestimmten Sterben. Ich gebe Bleisch Recht, der Tod wird bei uns nicht verdrängt. Nicht in dem Sinne, dass darüber nicht gesprochen würde. Aber wie wird darüber gesprochen? Was wird gesagt, was nicht? Der hypertrophe Diskurs über Sterben und Tod suggeriert, wir hätten es in der Hand, wie und wann wir sterben wollen, wenn wir nur die richtigen „Massnahmen“ ergreifen.  So nach dem Motto: Der Tod, alles eine Frage des richtigen Managements.

Die Wahrheit ist: wir sind schrecklich abhängig

Auf welch dünnem Eis der ganze Selbstbestimmungsdiskurs funktioniert, haben wir in der Pandemie gesehen. Dass plötzlich bestimmte Artikel des täglichen Gebrauchs – emblematisch das WC-Papier – in den Regalen der Geschäfte fehlen, hat Leute fassungslos werden lassen. Und Fassungslosigkeit hat sich manchmal in Aggression entladen. Ich erinnere mich, in den Tagen des ersten Shutdowns mich gefragt zu haben: und wenn jetzt der Strom ausfällt? Wie koche ich dann meinen Vorrat an Spaghetti, Reis und Bohnen? Ich habe mich nie so unabhängig und selbstbestimmt gefühlt wie manche meiner Zeitgenossen. Aber der Shutdown hat unmissverständlich vor Augen geführt, wie abhängig wir tatsächlich alle sind. Fällt der Strom aus, tauen innerhalb von vier Stunden alle Tiefkühlartikel auf. Sofort funktionieren die Kassen- und Zahlungssysteme der Supermärkte nicht mehr. Ja, nicht einmal manche Türen tun heute ohne Strom ihren Dienst.

Der Begriff Selbstbestimmung hat eine noble philosophische Abkunft, als normativer Begriff. Sein heutiger inflationärer Gebrauch ist jedoch normativer und deskriptiver Natur: wir sind de facto selbstbestimmt, tönt es aus allen Kanälen. In Wahrheit sind wir schrecklich abhängig. Ohne Heizöl oder Erdgas würden viele unter uns keinen Winter überleben.  Die hoch arbeitsteilige Gesellschaft hat uns zu Spezialisten werden lassen. Leben können wir nur mithilfe vieler anderer Spezialisten.